Habt ihr das schonmal erlebt? Ihr arbeitet, schaut auf die Uhr und stellt fest, dass der Tag wie im Flug vergangen ist? Wo ist die Zeit hin? Man will gar nicht aufhören. Die nächsten 10 Handgriffe sind so glasklar und man ist wie im Rausch. Als würde man, wie durch einen Strom getragen, sein Projekt voran bringen. An Tage wie diese denkt man gerne zurück. Sie schenken einem Zufriedenheit und Erfüllung. Psychologen sprechen bei diesem Zustand vom Flow, ein mentaler Zustand völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit.
In meinem heutigen Beitrag soll es um den Flow-Zustand gehen und wodurch er erreicht wird. Kann der Flow bewusst ausgelöst werden?
Wenn Arbeit kraftraubend ist
Ich wusste eigentlich schon immer, was ich werden wollte. Informatik hat mich als Kind schon immer angezogen. Die Vorstellung, eigene Ideen direkt umsetzen zu können, hat mich immer begeistert. Bei der Softwareentwicklung brauche ich nur meinen PC, meine Fähigkeiten und Zeit, um nahezu jede Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Andere Berufszweige, wie zum Beispiel Maschinenbauer, haben es deutlich schwerer in ihrer Freizeit Ideen uneingeschränkt umsetzen zu können.
Als ich nach meiner Ausbildung in einem großen deutschen Konzern zu arbeiten begann, fiel ich in ein Loch. Meine Arbeit war zum Teil eintönig und kraftraubend. Oft erwischte ich mich dabei, dass ich immer wieder enttäuscht auf die Uhr blickte und die Minuten bis zum Feierabend zählte. Abends war ich dann ausgelaugt, müde und unmotiviert noch irgendetwas schaffen zu wollen. Hatte ich mir meinem Traumberuf so vorgestellt? Ich wollte doch nichts anderes als Informatiker werden. Und jetzt war ich einer und es gefiel mir nicht. Einen Plan B gab es nicht. Warum begeisterte mich das Thema im privaten Umfeld so sehr und warum war es plötzlich auf der Arbeit so anstrengend?
Was ist der Flow
Die Antwort auf meine Frage bekam ich Jahre später im Studium. Als ein Kommilitone und ich bis tief in die Nacht begeistert an einem Projekt arbeiteten, erzählte er mir vom Flow. Jenem Zustand den wir just in dem Moment durchlebten.
Flow bezeichnet einen Zustand völliger Konzentration. Man geht in seiner Aufgabe auf. Dies geschieht dann, wenn wir uns genau in der Mitte zwischen Überforderung und Unterforderung befinden. Unsere Arbeit geht uns locker von der Hand ohne uns dabei zu langweilen. Im Tätigkeitsrausch scheint die Zeit an einem vorbeizuziehen. Nichts lenkt einen ab. Jeder Handgriff scheint der richtige zu sein und man kommt von einem Erfolgsmoment in den nächsten.
Die Aufmerksamkeit kann im Flow frei gelenkt werden um ein Ziel zu erreichen. Es gibt keine Unterordnung, keine Prioritäten und keine Bedrohung, gegen die man sich verteidigen müsste (Zweifel, äußere Einflüsse, Probleme, unlösbare Schwierigkeiten, Überforderung…).
Kann ich selbst Flow erzeugen?
Spannend ist doch die Frage, ob ich den Flow-Zustand bewusst fördern kann. Denn, wenn ich mich selbst in den Flow-Zustand versetzen kann, bin ich in der Lage meinen Arbeitsalltag erfüllend zu gestalten. Am Ende ist ein erfülltes Leben doch unser größtes Ziel. Reichtum und Erfolge sind allenfalls das Ergebnis eines erfüllten Lebens, aber selten die Ursache. Schließlich gibt es viele erfolgreiche und/oder reiche Menschen, die sich selbst das Leben genommen haben. Für mich Beweis genug, dass Reichtum und Erfolg nicht in erster Linie erstrebenswert sind.
“[…] nach jedem Erfolg wird deutlicher, dass Geld, Macht, Status und Besitztümer an sich nicht notwendigerweise die Lebensqualität verbessern.”
Zitat aus: Flow. Das Geheimnis des Glücks
Was braucht denn eine Flow-Erfahrung? Wie wir feststellen durften, befinden wir uns im Flow genau dann, wenn wir im Zentrum zwischen Unterforderung und Überforderung sind. Es gilt also zu ermitteln, wo ich mich gerade befinde und dann entsprechend zu steuern.
Die meisten Stellschrauben, die uns zum Flow führen, sind in beide Richtungen anwendbar. Daher ergibt es wenig Sinn, getrennt darauf einzugehen, wie man aus der Überforderungen bzw. aus der Unterforderung herauskommt. Im Folgenden möchte ich 4 Aspekte nennen, die den Flow-Zustand fördern und uns dabei helfen, uns wieder in den Flow-Kanal (siehe Zeichnung) zurückzubringen.
Fokussierung
Der Flow-Zustand selbst ist ein Zustand maximaler Fokussierung. Alles andere wird völlig ausgeblendet und man ist höchstgradig effektiv. Um in den Flow kommen zu können, sollte man sich stark fokussieren, Multitasking und Ablenkungen vermeiden.
Im Alltag habe ich eine Methode entwickelt, um in den Flow zu kommen wenn ich gerade sehr viele ungenießbare Aufgaben habe: Ich schaffe mir kleine, übersichtliche Zeitabschnitte, in denen ich mich komplett auf die Aufgabe konzentriere. Bei mir sind es meist 60 oder 90 Minutenblöcke. Während dieser Blöcke ist keine Ablenkung erlaubt, nicht mal Kaffee nachholen oder zur Toilette gehen. Dieser Fokus zwingt mich, die Arbeiten fertig zu bringen und das Limit hilft mir zu wissen, dass ich diesen “Mist” gleich hinter mir habe. Durch die dabei erlebbare Effektivität komme ich manchmal in den Flow auch wenn mich die Aufgaben überhaupt nicht motivieren.
Ein weiterer Aspekt der Fokussierung ist das beseitigen von Störelementen. Ich werde eventuell nicht in den Flow kommen, wenn ich von allen Seiten abgelenkt werde oder mein Umfeld chaotisch ist.
Spannend fand ich zu erfahren, dass das Gehirn während des Flows ebenfalls maximal fokussiert ist. Die Forschung hat festgestellt, dass im Flow, ganze Hirnregionen abgeschaltet werden. Das Gehirn arbeitet effektiv und fokussiert.
Feedback
Für die Arbeit im Flow ist Feedback sehr wichtig, denn Feedback gibt uns immer wieder den Impuls auf dem richtigen Weg zu sein, bzw. aus Fehlern zu lernen und zu wachsen. Laut Mihaly Csikszentmihalyi sind Chirurgen am anfälligsten, sogar süchtig nach dem Flow zu werden. Verglichen mit den anderen Medizinern bekommen sie immer direktes Feedback zu ihrer Arbeit. Nach einer OP weiß man sofort, ob man gute oder schlechte Arbeit geleistet hat. Ein Internist oder ein Psychiater wissen das erst nach Wochen oder erfahren es vielleicht nie.
Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum Softwareentwickler häufiger vom “im Tunnel sein” sprechen. Beim Entwickeln von Software bekommt man durch den Computer eine direkte Rückmeldung ob der geschriebene Code funktioniert oder nicht. Ein Softwareentwickler befindet sich in einem Kreislauf aus Aktion und Feedback. Ist er mit der Aufgabe weder unterfordert noch überfordert, stellt dieser Kreislauf einen Transportkanal dar, der es einfach macht stundenlang sich in einem Projekt zu verlieren. Mein Informatik-Professor Mr. Hansen hatte mal darauf hingewiesen, dass es Situationen gibt, wo das Verhalten eines Informatiker, dem Verhalten eines Autisten gefährlich nahe kommt.
Vision
Für den Flow ist es wichtig zu wissen, “warum” ich tue, was ich tue. Ansonsten kommen schnell Zweifel an der Arbeit. Zweifel stören die Fokussierung, die charakteristisch für den Flow-Zustand ist.
Eine motivierende Vision erzeugt Kraft und Energie um sich auf die wichtigen Aspekte zu konzentrieren. Ist die eigentliche Vision zu groß um zu motivieren, hilft es das große Ziel in Teilziele herunterzubrechen.
Wenn ich mich auf der Arbeit mit dem für mich sehr kräfteraubenden Thema Finanzplanung und Steuern auseinandersetzen muss, hilft es mir sich eine spannende Unternehmenspräsentation oder einen inspirierenden Monatsbericht vorzustellen um mich für die Arbeit zu motivieren.
Herausforderung
Befindet man sich in der Unterforderung, kann man versuchen, sich die Aufgabe schwerer zu machen. Denn Herausforderungen oder Veränderungen motivieren uns. Als Kind haben wir immer die Zeit gestoppt, wenn wir unser Zimmer aufräumen mussten. Auf dieser Art und Weise ist aus der langweiligen Arbeit eine sportliche Herausforderung geworden.
Wer immer wieder die gleiche eintönige Arbeit machen muss, kann auch versuchen, neue Aspekte hinein zu bringen. Gibt es vielleicht komplett andere Wege das gleiche zu erreichen? Gibt es etwas, dass ich ändern kann um das Ergebnis in sich zu verbessern? Kann ich vielleicht andere positiv Überraschen und neue Maßstäbe setzen?
Wer sich in einer Überforderung befindet, kann versuchen die Aufgabe in kleinere übersichtlichere Herausforderungen herunter zu brechen. Vielleicht aber auch sich die Überforderung einzugestehen und sich Hilfe zu suchen. Das ist viel besser, als sich vom Berg der Herausforderungen demotivieren zu lassen.
Wann wird Arbeit zum Hobby?
Was “Arbeit” von “Hobbies” unterscheidet ist das was der Autor als autotelistisch beschrieben hat. Autotelistische Arbeiten sind Aufgaben, die sich selbst genügen. Also wo uns die Arbeit an sich als Bezahlung genügt und man auf zukünftige Vorteile verzichten kann.
Die Tätigkeit selbst ist für uns Anreiz genug, sie zu tun. Wir sind nicht auf Folgeanreize wie Anerkennung oder Bezahlung angewiesen. Jeder Mensch ist anders. Und so ist es total unterschiedliche worin jeder seine Erfüllung findet. Ich muss immer wieder an einen Familienurlaub denken, bei dem ich mein Notebook herausnahm und mich endlich mal einem kleinen Projekt widmen konnte, auf das ich mich schon wochenlang gefreut habe aber im Alltag nie Zeit dafür gefunden hatte. Strickend sah mich meine Mutter an, “Musst du im Urlaub arbeiten”. Mein Blick fiel auf ihr Strickzeug: “Wer von uns beiden arbeitet denn gerade?”
Ich wünsche dir, dass du Arbeit nicht als verschwendete Zeit wahrnehmen musst, und dass du, egal wie deine Arbeit aussieht, Mittel und Wege findest, den Flow-Zustand zu erfahren.
1 Gedanke zu „Flow: Wie kann ich Arbeit zum Hobby machen?“